Franken und die Kirchweih
Kerwa Untermembach
von unserem Gastautor Dr. Manfred Welker
In den Sommermonaten folgt in Franken eine Kirchweih auf die andere. Hier zeigen sich die Einwohner von ihrer aufgeschlossenen Seite, es gibt kulinarische Spezialitäten und vor allem eine breite Vielfalt an Bier wie sonst nirgendwo in Deutschland. Schließlich hat Franken die höchste Brauereidichte.
In ganz Deutschland bekannt sind natürlich die großen Feste, wie die Erlanger Bergkirchweih oder das Annafest in Forchheim, die Michaeliskirchweih in Fürth aber auch die Sandkerwa in Bamberg. Über die ganze Region hinaus, bringen die Limmersdorfer Lindenkirchweih und die Kirchweih auf dem Walberla fränkisches Brauchtum den Besuchern nahe.
Nur den Eingeweihten bekannt und daher weitaus liebenswerter sind jedoch die Feste in den kleineren Ortschaften von Franken. Sie können nur existieren, wenn die jeweilige Dorfgemeinschaft zusammenhält und die Organisation übernimmt. Hier werden noch alte Bräuche gepflegt und die Kirchweihlieder ertönen bei den verschiedenen Anlässen:
„Die Kerwa is kumma, die Kerwa is do,
die Aldn, die brumma, die Junga sen froh.“
Die Lieder werden aber nicht einfach wiederholt, sondern variiert, aber auch neu zu aktuellen Ereignissen gedichtet. Erst durch diese gelebte Form erhält das Brauchtum seine Daseinsberechtigung.
Besonders gepflegt wird diese Tradition in Gemeinden wie beispielsweise Untermembach, Großenseebach, Oberreichenbach, Röttenbach und Weppersdorf, wo die Kerwa noch richtig lebt.
Ganz wichtig für eine Kerwa: Ohne ein Wirtshaus funktioniert gar nichts! Die Kerwa beginnt mit einer Schlachtschüssel am Donnerstag. Das Beste vom Schwein ist gerade gut genug; dazu zählt als erstes das Kesselfleisch, bevor etwas später die Blut- und Leberwürste mit Kraut auf den Teller kommen. In den Monaten mit einem „r“ im Namen gibt es natürlich auch Karpfen zu essen. In den Häusern der Ortschaft werden die „Küchli“ gebacken.
Ein wichtiger Bestandteil der Kerwa ist der Baum, der eigentlich als „Tanzmaien“ tituliert werden müsste. Bis auf eine schöne Krone entastet und mit bunten Bändern sowie einem Kranz und Fahnen geschmückt, wird er von den Kirchweihburschen am Samstag aufgestellt. Jede Ortschaft will natürlich den größten und schönsten Baum haben, um damit die Nachbarn zu übertrumpfen. Er ist am Montag gegen Abend der Mittelpunkt beim „Maien raustanzen“. Dabei umrunden die Burschen mit ihren Mädchen den Baum. Ein Lied dazu lautet:
„Schaud nauf auf’n Maibam, schaud nauf in die Heeh!
Schaud ro auf die ald’n Weiber, wie’s bleck’n die Zeeh.“
Durch das Klingeln eines Weckers wird das Siegespaar ermittelt. Die junge Frau erhält ein Kaffeeservice, der Bursche einen Deckelkrug. Allerdings hat er dadurch auch die Ehre, seine Kollegen zu einem späteren Zeitpunkt aushalten zu dürfen.
Vor allem im Seebachsgrund tragen die Burschen beim Raustanzen noch die weißen Schürzen, die mit bunten Stoffbändern und Blumen geschmückt sind.
Meist schließt sich an das Raustanzen noch das „Geeger Rausschlog’n“ an. Der „Geeger“ wird kurz zuvor im Dorf „organisiert“ und nach der Aktion auch wieder zurückgebracht. Beim „Geeger Rausschlog’n“ müssen die Ortsburschen mit einem armdicken Stamm einen Blecheimer oder einen Tropf treffen, der stellvertretend für den „Geeger“ steht. Zuvor werden den Kandidaten die Augen verbunden und ihr Orientierungssinn durch mehrmaliges Drehen durcheinandergebracht. Auf Zurufe aus dem Publikum müssen sie versuchen, den Eimer zu treffen. Geht der Wurf daneben, so lässt sich die Musik lediglich einige traurige Töne entlocken. Erst beim Treffer gibt es einen Tusch.
Beim Kirchweihumzug am Sonntag werden die Ereignisse des letzten Jahres aufs Korn genommen. Die Honoratioren und die Politiker im Ort müssen sich zahlreiche kritische Anmerkungen gefallen lassen.
Nacheinem arbeitsreichen und intensiven Wochenende wird von den Beteiligten die Kirchweih am Montagabend eingegraben, um eine Jahr später wieder aufzuerstehen.
Neben diesen Hauptpunkten gibt es in manchen Ortschaften noch Ergänzungen, so wird etwa in Röttenbach am Dienstag zum Abschluss der „Krumme“ aufgestellt, ein möglichst verwachsenes Exemplar von Baum.
Ohne das Engagement der gesamten Dorfgemeinschaft geht bei einer Kirchweih nichts. Die Hauptlast tragen aber die unverheirateten Ortsburschen. Das Fest ist für sie jedes Jahr eine neue Herausforderung. Neben der körperlichen Anstrengung beim Baumholen und -aufstellen kommt noch etwas anderes dazu: Sie müssen sich eine Herzdame auswählen. Früher hat die Kirchweih viele Paare zusammengeführt. Nicht umsonst heißt es in einem Lied:
“ Und heid in achd Dooch is die Kerwa vorbei,
do ham die aldn Weibä die gressd Wäscherei.“