Anmerkungen zur Gebietsdefininition der Kulturregion Franken
eine Betrachtung von Martin Truckenbrodt
Vor einiger Zeit gab es zwischen Vorständen der Vereine Fränkischer Bund e.V. und Henneberg-Itzgrund-Franken e.V. Meinungsverschiedenheiten zur Gebietsdefinition der Kulturregion Franken. Beide Vereine sind keine wissenschaftlichen Vereine, sind also grundsätzlich angehalten die teilweise wenig bekannten wissenschaftlichen Erkenntnisse anderer zu verwenden. Ein Streitpunkt war u.a. die Frage der Identifikation gewesen. Hierzu möchte ich anmerken, dass diese durchaus im Laufe der Zeit auch schwanken kann. Bestes Beispiel ist hierfür das bayerische Franken. Hier hat seit 1990 auch erst der Fränkische Bund erfolgreich eine stärkere Identifikation mit Franken in die Wege geleitet. Im thüringischen Franken haben wir hier mit dem Verein Henneberg-Itzgrund-Franken zuletzt den Stein ins Rollen bringen können. Weiterhin ist nach wie vor für viele Menschen die Identifikation mit Ostdeutschland, also der ehemaligen DDR, immer noch die Entscheidende. Das baden-württembergische Franken ist hier nicht einfach zu betrachten und einzuschätzen. Die Identifikation mit Franken nimmt sicherlich sehr schnell in Richtung Heilbronn ab. Der Begriff Franken ist dort allerdings noch sehr präsent, siehe z.B. Frankenstadion Heilbronn oder Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken. Der Verein Württembergisch Franken und andere hingegen schließen Heilbronn von Franken aus.
Bevor ich auf die strittigen Gebiete eingehe, will ich auf die historische Gebietsdefinition eingehen. I.d.R. wird vom Fränkischen Bund mit dem Fränkischen Reichskreis argumentiert. Das ist nicht ganz unproblematisch, weil u.a. die Pflege Coburg (Coburg, Sonneberg, Hildburghausen) nicht Mitglied im Fränkischen Reichskreis war und weil eine klare Abgrenzung zum Schwäbischen Reichskreis nicht möglich ist. Klar sollte jedoch sein, dass wir insgesamt nur ein zusammenhängendes Gebiet betrachten sollten. Exklaven sollten also außen vor bleiben. Auch das gesamte Gebiet der drei fränkisch geprägten bayerischen Regierungsbezirke sollte komplett betrachtet werden. Man kann und muss auch den Menschen in Ludwigstadt, Marktredwitz und Aschaffenburg zugestehen, dass sie sich mit Franken identifizieren. Aus meiner Sicht ist der gebietstechnische äußere Rahmen für die Kulturregion Franken historisch sehr leicht herzuleiten: Es handelt sich um die ursprünglichen Gebiete der fränkischen Bistümer Würzburg (gegründet 742), Eichstätt (gegründet 742) und Bamberg (gegründet 1006) zuzüglich der weltlich zum Erzstift Mainz und deshalb auch kirchlich zum Erzbistum Mainz gehörenden Gebiete östlich des Vogelsbergs, des Spessarts und des Odenwalds. Hinzu kommen dann als Teil der Übergangsgebiete nur noch kleinere heute vor allem zu Mittelfranken und Oberfranken gehörende Gebiete. Die Bistümer Bamberg und Eichstätt entsprechen heute noch relativ genau dem Gebietsstand des Jahres 1007. Lediglich das Bistum Würzburg hat einige Gebiete an das 1994 gegründete Bistum Erfurt, in den 1820er Jahren an die Bistümer Freiburg und Rottenburg-Stuttgart und an das 1752 gegründete Bistum Fulda verloren. In den 1820er Jahren fielen wiederum andere Gebiete des Erzbistums Mainz an das Bistum Würzburg.
Klar ist allen bisher an der Diskussion Beteiligten, dass man in der Gebietsdefinition Abstufungen rund um ein Kerngebiet herum machen muss. Das Kerngebiet umfasst im Wesentlichen den Ostfränkischen Dialektraum, wovon Teile des Vogtlandes und das Erzgebirge und damit auch die dortige Übergangszone ins Thüringisch-Obersächsische auf Grund nicht vorhandener fränkischer Geschichte und Identifikation i.d.R. hiervon ausgeschlossen werden. Die weiteren Übergangszonen ins Thüringisch-Obersächsische, ins Hessische, ins Südfränkische und ins Bairische sind teilweise umstritten. Darum soll es nun gehen. Ich möchte zwei Kategorien für die Überganszonen anregen: Eine erste Übergangszone umfasst Gebiete, die keine nennenswerte kulturelle ostfränkische Prägung aufweisen, jedoch für längere Zeit territorial ein Teil Frankens bzw. Ostfrankens waren. Die zweite, stärkere Übergangszone weist Gebiete aus, die territorial lange ein Teil Ostfrankens waren und zusätzlich die kulturelle ostfränkische Prägung zumindest einer Übergangszone aufweisen.
Das westliche Übergangsgebiet vom Ostfränkischen bzw. Altfränkischen zum Thüringisch-Obersächsischen stellt das Ringgauische, im Thüringer Wörterbuch von 2006 Westthüringisch genannt, dar, welches in erster Linie im Werra-Meißner-Kreis (Hessen) und in der Stadt Eisenach und in Teilen des Wartburgkreises (beide Thüringen) gesprochen wird. Es lässt sich recht genau auf den Ringgau des Frühmittelalters zurückführen, welcher von Historikern dem Herzogtum Thüringen zugeordnet wird. Die Sprachgrenze zum Hennebergischen verläuft am Salzborgen südlich von Bad Salzungen und sollte den Kernbereich der Kulturregion Franken in diesem Bereich abgrenzen. Der nördlich davon gelegene Bereich um die Städte Bad Salzungen und Bad Liebenstein weist jedoch einen sehr starken historischen Bezug in Richtung Meiningen (Grafschaft Henneberg und Sachsen-Meiningen) auf, liegt ebenfalls im hauptsächlich fränkisch geprägten Mittleren Werratal und sollte deshalb Teil der stärkeren Übergangszone sein. Das östliche Übergangsgebiet vom Ostfränkischen zum Thüringisch-Obersächsischen liegt im Wesentlichen im Bereich des thüringischen und sächsischen Vogtlandes und des Erzgebirges und wird deshalb, wie gesagt, nicht berücksichtigt.
Das Übergangsgebiet vom Ostfränkischen, umgangssprachlich dem Fränkischen, zum Hessischen, als Teil des Rhein- oder Westfränkischen, ist vor allem im heutigen Osthessen zu finden. Das Osthessische wird von Sprachwissenschaftlern selten als eigenständiger Dialektraum betrachtet, meist jedoch als hessisch-fränkischer Mischdialekt vorrangig dem Ostfränkischen zugeordnet. Das Kloster Fulda ist für die Geschichte und die Christianisierung Ostfrankens, also der Kulturregion Franken, von sehr großer Bedeutung gewesen. Kirchlich gehörte Fulda bis 1752 zum Bistum Würzburg. Der Fränkische Ritterkreis war u.a. am Osthang des Vogelsberges und am Oberlauf der Kinzig, im Bereich des ehemaligen Landkreises Schlüchtern, sehr präsent und bedeutend gewesen. In der Summe dieser Aspekte muss dieser Bereich zumindest als starke Übergangszone ausgewiesen werden. Der Hennebergisch sprachige Bereich um Gersfeld kann hingegen dem Kerngebiet Frankens zugeordnet werden.
Zweites Übergangsgebiet vom Ostfränkischen zum Hessischen ist der Bereich um Aschaffenburg und Miltenberg. Stadt und Landkreis Aschaffenburg und Teile des Landkreises Miltenberg müssten strenggenommen als schwaches Übergangsgebiet ausgezeichnet werden, weil eine bedeutende kulturelle ostfränkische Prägung fehlt und die wichtigste territoriale Zugehörigkeit seit 982 die zum Erzstift Mainz war. Aus diplomatischen Gründen und auf Grund der mehr als 200 Jahre Geschichte dieser Region westlich des Spessarts als Teil des heutigen Unterfrankens ist dennoch eine Ausweisung zumindest als starkes Übergangsgebiet vorzuziehen. Der ehemals zum Fränkischen Reichskreis gehörende Odenwaldkreis (Hessen, ehemals Grafschaft Erbach) schließt direkt daran an. Darum herum gelegen und bis zur Linie Frankfurt/Main – Heidelberg, also im gesamten Odenwald und nördlich davon bis Main, gehörten zudem die nicht wenigen freien Reichsritter durchweg zum Kanton Odenwald des Fränkischen Reichskreises. Auch das spricht für eine Ausweisung zumindest als starke Übergangszone.
Das Übergangsgebiet vom Ostfränkischen zum Südfränkischen ist unter sprachlich-kultureller Betrachtung sehr schwammig. Es finden sich hier sehr unterschiedliche Sichtweisen und Karten. Auch deshalb empfiehlt es sich hier die Außengrenzen des ursprünglichen Bistums Würzburg heranzuziehen, diese mit dem Fränkischen Reichskreis abzugleichen und so von Osten her auch den südfränkischen Bereich bis zur Stadt Heilbronn bzw. bis zum Neckar als Teil des Kerngebiets der Kulturregion Franken zu betrachten. Das wird sicherlich nicht unumstritten sein, aber die auch heute noch starke Präsenz des Begriffs Franken in Heilbronn rechtfertig dies auf jeden Fall. In diesem Sinne kann man auch den Neckar-Odenwald-Kreis komplett als Teil des Kerngebietes betrachten. Links des Neckars gibt es nur sehr wenige zum Fränkischen Reichskreis oder Ritterkreis gehörende Gebiete. Insbesondere den westlichen Bereich des Landkreises Heilbronn sollte man deshalb nur als schwaches Übergangsgebiet ausweisen. Hier sei ergänzend auch noch auf die neue Tourismusregion Churfranken hingewiesen.
Das Übergangsgebiet vom Ostfränkischen zum Bairischen muss mit etwas anderen Kriterien betrachtet werden. Der komplette sprachlich-kulturelle Übergangsbereich sollte und muss dem Kerngebiet der Kulturregion Franken zugeordnet werden. Wenn wir schon den Altkreis Eichstätt als fränkisch betrachten, dann sollten wir ebenfalls das gesamte Bistum Eichstätt als fränkisch betrachten. So kann und sollte das weitere historische und aktuelle Gebiet des Bistums Eichstätt als Teil der schwachen Übergangszone und die dort zum weltlichen Hochstift Eichstätt und damit zum Fränkischen Reichskreis gehörenden Gebiete als Teil der starken Übergangszone berücksichtigt werden. Den südöstlichen Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge um Marktredwitz (ehemals Fürstentum Bayreuth und Fränkischer Reichskreis) und das Gebiet des weltlichen Hochstifts Eichstätt (Fränkischer Reichskreis) sollte man aus diplomatischen Gründen als Teil des Kerngebietes betrachten, auch wenn dort Bairisch gesprochen wird. Auf Grund von direkter Nachbarschaft ergibt sich für die Städte Neustadt an der Kulm (ehemals Fürstentum Bayreuth) und Vilseck (ehemals Hochstift Bamberg) die Möglichkeit Teil der schwachen Übergangszone zu sein.
Damit sind aus meiner Sicht alle strittigen Punkte umfassend abgearbeitet. Das Ziel, niemanden, der oder die sich zu Recht mit Franken identifizieren kann und will, von vorneherein von Franken auszuschließen, ist damit wohl gut erfüllt. Ich würde mir wünschen, dass der Fränkische Bund zukünftig nur noch mit einer Karte der Kulturregion Franken arbeiten würde, um Franken darzustellen. Diese Karte wäre in professioneller Qualität noch zu erstellen. Die Notwendigkeit zusätzlich eine zweite auf das Kerngebiet reduzierte Karte zu verwenden, sehe ich persönlich nicht.
Vorrangiges Ziel aller im Sinne der Kulturregion Franken politisch aktiven Fränkinnen und Franken sollte es sein, das gesamtfränkische Bewusstsein für die Kulturregion Franken zu fördern. Ob daraus irgendwann mal ein Bundesland Franken entstehen wird, sollte und muss zweitrangig sein. Ich persönlich gebe einer Wiederholung der Initiative der 1990er Jahre keine Aussicht auf Erfolg. Wenn dann muss eine allgemeine und bundesweite Neugliederung des Bundesgebietes stattfinden. Dafür braucht es jedoch Parteien oder andere bundesweit tätige Organisationen, die dieses Vorhaben konkret anpacken wollen. Momentan sieht es hier leider sehr mau aus.
Fränkischer Reichskreis (rot gepunktet) und Fränkischer Ritterkreis (blau gepunktet) über die ursprünglichen Gebiete der fränkischen Bistümer Würzburg, Eichstätt und Bamberg gelegt
Quellen:
Karte „Die fränkischen Würzburg, Bamberg und Eichstätt im Mittelalter“, Webseite Haus der Bayerischen Geschichte, https://www.hdbg.eu/karten/karten/detail/id/62, aus „Edel und Frei – Franken im Mittelalter“, Jahn, Wolfgang / Schumann, Jutta / Brockhoff, Evamaria (Herausgeber), ISBN 9783806218718
Karte „Reichskreis Ritterkreis Franken am Ende des Alten Reiches (1792)“, Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken, Reihe II, Heft 1a (1955)
Karte „Dier Organisation der Reichsritterschaft am Ende des Alten Reichs“, LAGIS Hessen, https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/browse/current/39/ex/browse/sn/ga