Der Meininger Landtag hat 1919 entschieden, nicht die Bevölkerung
Der Fränkische Bund äußert sich zum Jubiläum 100 Jahre Gründung Land Thüringen am 1. Mai 1920
Der 1918 gebietsidentisch aus dem gleichnamigen Herzogtum hervorgegangene Freistaat Sachsen-Meiningen umfasste südlich des Rennsteigs die Kreise Meiningen einschließlich des Bereichs um Bad Salzungen und Bad Liebenstein, Hildburghausen und Sonneberg und nördlich davon den Kreis Saalfeld und kleinere Exklaven. Der aus dem nach 1583 ehemals albertinischen Erbanteil an der fränkischen Grafschaft Henneberg entstandene preußische Kreis Schleusingen einschließlich Suhl und die ehemalige hessische Exklave der Herrschaft Schmalkalden gehörten damals, ebenfalls südlich des Rennsteigs gelegen, seit 1815 bzw. 1866 zu Preußen, so dass diese faktisch erst 1945 und formell erst mit der Auflösung Preußens 1947 in das am 1. Mai 1920 gegründete Land Thüringen eingegliedert wurden, welches bis zur Einführung der Bezirke in der DDR im Jahr 1952 fortbestand und 1990 mit kleineren Veränderungen im Gebietszuschnitt wiederinstalliert wurde.
Ende 1919 entschied der Landtag in Meiningen über den Anschluss an das sich aktuell in Gründung befindliche Land Thüringen. Es war also, im Gegensatz zur Entscheidung in Sachsen-Coburg, keine Volksabstimmung gewesen. Die Entscheidung des Meininger Landtags war damals durchaus umstritten gewesen. Nach dieser Entscheidung bildete sich 1921, mit dem räumlichen Schwerpunkt um Meiningen, eine Initiative namens „Los von Thüringen“, die einen Wechsel nach Bayern erreichen wollte. Diese Bemühungen verebbten Anfang der 1930er Jahre. Heute finden sich an der Meininger Stadtkirche mit der Henne der Henneberger Grafen und dem für das Bistum Würzburg und die Region Franken stehenden Frankenrechen zwei fränkische Wappen und weiterhin das sächsische Wappen der Wettiner. Mit dem Löwen der Ludowinger, der im Zentrum des Wappens des Freistaats Thüringen steht, verbindet Meiningen vor 1920 nichts. Denn zur Landgrafschaft Thüringen gehörten südlich des Rennsteigs und des Frauenseer Hügellandes lediglich die beiden ursprünglichen Städte Schmalkalden und Brotterode. Also ist der fränkische Teil des Freistaats Thüringen, der ein Fünftel der Fläche des Bundeslandes umfasst, im Wappen desselbigen im Wesentlichen nur mit einem der acht Sterne repräsentiert.
„Man kann heute natürlich darüber diskutieren, ob 1919 bei einem Volksentscheid in Sachsen-Meiningen eine andere Entscheidung getroffen worden wäre, als diese der Meininger Landtag getroffen hat. Hier gehen die persönlichen Einschätzungen weit auseinander. Zum einem ist Saalfeld im Gegensatz zum restlichen Sachsen-Meiningen thüringisch geprägt. Der Bereich um Bad Salzungen und Bad Liebenstein weist neben der fränkischen auch eine ausschließlich auf das Frühmittelalter zurückzuführende thüringische Prägung auf. Die in Hildburghausen damals sehr stark gewesene Arbeiterbewegung soll einen starken Blick auf den Geburtsort der deutschen Sozialdemokratie, Gotha, gehabt haben. Und insbesondere die Sonneberger Kaufleute traten damals als eifrige Lobbyisten für den Anschluss an ein zu gründendes Land Thüringen ein. Dennoch war das Leben der Menschen südlich des Rennsteigs vorrangig nach Süden ausgerichtet gewesen. Man ging nach Schweinfurt, Würzburg oder Bamberg, wenn man in ein größeres Krankenhaus musste oder für Einkäufe ein größeres Angebot nutzen wollte. Ebenso wurde der Großteil des Großhandels mit Geschäftspartnern im heutigen Unter- und Oberfranken betrieben. Die im Sonneberger Raum produzierten Spielwaren wurden lange Zeit zu Großhändlern und Exporteuren nach Nürnberg transportiert, bevor Anfang des 20. Jahrhunderts der Export nach Übersee bedeutender wurde. Viele Unternehmer aus dem heutigen Nordbayern investierten auch noch bis zum Zweiten Weltkrieg in die Industrie der Rennsteigregion. Das Herzogtum Sachsen-Meiningen ließ seine Interessen im Reichstag des Deutschen Kaiserreichs teilweise vom Königreich Bayern vertreten. Vom Alltag der Menschen damals können viele Menschen unserer Region heute noch aus Erzählungen Ihrer Eltern und Großeltern berichten. Seit 1990 stellt sich nun wieder zunehmend dieselbe Situation ein. Kaum bestreiten wird man jedoch können, dass sich heute südlich des Rennsteigs wohl kaum jemand mit Thüringen identifizieren würde, hätte man damals in Meiningen anders entschieden. Das sieht man heute sehr deutlich im ehemaligen Sachsen-Coburg. Denn die heutigen Südthüringer sind genauso Franken wie es die heutigen Nordbayern, Nordost-Baden-Württemberger oder Osthessen auch sind. Man könnte dieser Tatsache damit gerecht werden, wenn man der Region zwischen Rennsteig und thüringisch-bayerischer Landesgrenze offiziell einen Namen wie Henneberg-Franken oder Werra-Main-Franken geben würde. Die Menschen unserer Region, aus unserer Sicht ‚vor dem Wald‘, würden sich dadurch vielleicht auch von Erfurt ‚hinter dem Wald‘ ernster genommen fühlen. In der Denkschrift des Freistaats Sachsen-Meiningen vom 11. Dezember 1919 findet sich folgender Schlusssatz: ‚Gibt Sachsen-Meiningen seine Selbstständigkeit zu Gunsten des geeinten Thüringens auf, so geschieht dies nur in dem festen Vertrauen darauf, dass es bei der Regierung und Volksvertretung Thüringens stets Verständnis für die Eigenart seiner Bevölkerung und seiner wirtschaftlichen Verhältnisse findet.‘ Mit dieser Eigenart können nur die historische Zugehörigkeit zu Franken und die daraus resultierende und bis heute bei weitem nicht nur an unseren fränkischen Dialekten leicht erkennbare fränkische kulturelle Prägung unserer Region gemeint sein.“, führt Martin Truckenbrodt, Sprecher der länderübergreifenden Regionalgruppe Itzgrund-Henneberg und 3. Vorsitzender des Vereins Fränkischer Bund e.V., dazu aus.