„Invest in Bavaria” gießt Öl ins Oberbayern-Feuer
Wirtschafts- und Steuerkraft in Bayern extrem verteilt
Wolfgang Hoderlein
Dass es Aufgabe des Staates und seiner Politik(er) ist für – nein, nicht für „gleiche“ – aber für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen, bestätigt ein Blick ins Grundgesetz ebenso wie in die Bayerische Verfassung. Hier geht es also nicht um ein vermeintlich sozialistisches Gleichmacherei-Postulat, sondern schlicht um die Erfüllung eines nicht verhandelbaren Verfassungsauftrages. Feiner, aber gern vergessener Unterschied. Natürlich lehrt alle Weltbetrachtung und alle Lebenserfahrung, dass sich die Dinge nirgendwo als „gleich” erweisen. Vielfalt und Unterschiedlichkeit sind als Gewinn zu sehen, klar. Sie fallen also nicht unter das eben zitierte Verfassungsgebot. Worum es geht, lässt sich an Daten, Fakten, Statistiken ablesen, nicht anhand von Lebensgewohnheiten, Geschmack oder Vorlieben.
Solche Daten sind beispielsweise jene, die Auskunft über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geben, etwa das Bruttoinlandsprodukt, oder die Lohnhöhen, Einkunftsverhältnisse, Beschäftigungsstrukturen etc. Exemplarisch sei hier die Steuerkraft je Einwohner in den bayerischen Landkreisen (gereiht nach Regierungsbezirken) als Parameter herausgegriffen. In Bayern insgesamt beträgt sie jetzt 1185 Euro je Einwohner und Jahr. In Oberbayern bringt ein Einwohner hingegen rund 1500 Euro pro Jahr. Das ist die Nr. 1 der Regierungsbezirke‚ Oberbayern 1500 Euro also. Und die Nr.7 der 7 bayerischen Regierungsbezirke? Nun‚ das ist Oberfranken mit 934 Euro je Einwohner/Jahr. 1500 zu 934, lndex 100 zu 62. Das ist wie Deutschland und, sagen wir, die Slowakei.
Sechs der sieben Regierungsbezirke erreichen den bayerischen Durchschnittswert von 1185 Euro nicht, weil die fast 1500 Euro Oberbayerns den Durchschnitt so verzerren. Nr. 2 ist übrigens Schwaben mit 1120 Euro und die Nr. 6 ist Unterfranken. Wer die Politik-Rhetorik aufmerksam verfolgt, wird ständig mit den „Spitzenwerten Bayerns” unter den 16 Bundesländern in dieser oder jener Sache beschallt. Das sind in der Regel keineswegs Falschmeldungen, denn sie geben den bayerischen Durchschnitt wieder. Aber eben nicht das Gefälle innerhalb Bayerns! Hier einzuwenden, dafür gäbe es ja ein Preis- oder Kostengefälle ist eine Irreführung, zumindest eine Ablenkung vom Kern der Sache. Denn wenn in München die Mieten so hoch sind und in der Fränkischen Schweiz die Brotzeiten so billig‚ so ist das in beiden Fällen keine unmittelbare Folge bayerischer Wirtschafts- und Strukturpolitik. Was die beispielhaft vorgelegten Steuerkraftzahlen aussagen, ist vielmehr ein Dokument des Versagens regionaler Wirtschaftspolitik, im Grunde während der gesamten Nachkriegszeit. Wer, wie der Freistaat Bayern, die Gründungs- und Ansiedlungsagentur „Invest in Bavaria“ betreibt und dabei mindestens 8 von 10 Neuansiedlungen in Oberbayern landen, die restlichen ein bis zwei in den restlichen 6 Regierungsbezirken, der gießt mit Steuermitteln Öl ins Oberbayern-Feuer. Eine gezielte Landesstrukturpolitik muss mit gezielten‚ langfristigen und vielfältigen Fördermaßnahmen dafür sorgen, dass bisher weniger nachgefragte Landesteile für die potentiellen Investoren attraktiver gemacht werden. Investitionen in Bildung, in Forschung und Technologietransfer in die Infrastruktur von Glasfaser bis Eisenbahn‚ in spezielle Förderprogramme, passgenau für jede Region sind in Bayern nötig‚ um dieses riesige Gefälle zu verringern, gemäß dem Auftrag der Verfassung. Ja, das dauert, Jahre und Jahrzehnte. So lange, wie die Superförderungen für Oberbayern eben auch gedauert haben. Man erinnere sich: Zu Zeiten, als in Oberfranken bereits 100 Fabrikschlote hundert Meter in die Luft geragt haben, da pflügten die Bauern in Oberbayern noch den Acker mittels eines Ochsen. Wenn es heute anders ist – kleiner Scherz zur Auflockerung – so ist das nicht allein der Intelligenz und dem Fleiß der einen versus der Dummheit und Faulheit der anderen geschuldet, sondern diversen Einflüssen‚ zuvörderst der bayerischen Wirtschafts- Regional- und Strukturpolitik über Jahrzehnte.
Wir sollten aufhören mit unserem ewigen Benachteiligungsgejammer, hörten und hören wir. Stimmt eigentlich. Wir (Franken) werden nicht benachteiligt. Andere (Oberbayern) werden bevorteilt! So schaut’s aus. ”lnvest in Ober-bayern” ist nur ein Beispiel dafür.
Übrigens: Es ist hier so ähnlich wie auf der kulturellen Ebene .Er sei kein Freund von Frankentümelei, sagt der Bayerische Ministerpräsident aus Franken. Gut. Bin ich übrigens auch nicht. Nur: Ist das etwa ein Problem – Frankentümelei in Bayern? Wenn es irgendeine „…tümelei” in den Grenzen des Freistaates Bayern gibt, dann ist es ja wohl eine „Bayerntümelei”, die einem auf Schritt und Tritt begegnet (Man nehme Kostproben beim Bayerischen Fernsehen‚ bei lmagebroschüren der Bayerischen Staatsregierung, bei der Tourismuswerbung für ganz Bayern, beim Oktoberfest, bei einem gewissen Fußballverein etc. pp.)
Frankentümelei zu unterstellen und tatsächlich Bayerntümelei zu betreiben entspringt derselben Methode, wie die Steuerkraft Bayerns zu verkünden und jene Oberfrankens zu verschweigen. Schauen wir also in die Verfassungen und wirken wir darauf hin, dass die Aufträge dort befolgt werden – gleichwertige Lebensverhältnisse und vielfältige Kultur!