Kulturregion Franken
Gemeinsame Identität einer Europaregion trotz administrativer Teilung am Beispiel Wein
– eine Betrachtung von Rolf-Peter Schuler –
Buchautoren und Journalisten erkennen nicht selten Franken nur als „Kulturregion“ an und formulieren Sätze wie „Als politischer Begriff ist Franken im Jahr 1803 verschwunden“, oder gehen noch ein bisschen weiter mit Aussagen wie „eine fränkische Identität gibt es nicht, hat es nie gegeben“.
Im Folgenden soll unter dem Gesichtspunkt „Wein“ aufgezeigt werden, dass es trotz administrativem Status Quo und franken-kritischem Journalismus sehr wohl ein gesamtfränkisches Bewusstsein gibt.
Für Weinetiketten gibt es Pflichtangaben und erlaubte Zusatzangaben. Die Winzer in dem nördlichsten Bereich des Weinanbaugebietes Baden, Tauberfranken (der bis 1992 „Badisches Frankenland“ hieß), nutzen die Möglichkeiten der gesetzlichen Vorgaben nicht selten voll aus, um fränkisches Bewusstsein zu demonstrieren. Für die Pflicht- und Zusatzangaben ist u.a. die Mindest- und die maximale Schrifthöhe festgelegt. Nicht wenige Winzer in dem außerbayerischen fränkischen Teilgebiet entscheiden sich beim Begriff „Baden“ für die Mindest- und beim Begriff „Tauberfranken“ für die maximale Schrifthöhe.
Die fränkische Bocksbeutelflasche ist seit 1988 auf EU-Ebene markenrechtlich geschützt – frankenweit: im Bundesland Baden-Württemberg (Tauberfranken) und im Bundesland Bayern (Franken). Daneben gilt dieser Markenschutz auch noch für die badische „Bocksbeutel-Enklave“ bei Baden-Baden. Der Bezug zu Franken besteht darin, dass es einen adeligen Verwandten eines Würzburger Fürstbischofs, Franz-Philipp von Knebel-Katzenellenbogen, ins Badische verschlug. Vor über 200 Jahren wurde letzterer Herr auf Schloss Neuweier. Er brachte den Bocksbeutel aus seiner fränkischen Heimat mit und verfügte, in der Ortenau mehr Riesling anzubauen und ließ diese Weine in die ihm vertraute Bocksbeutelflasche füllen. Dieses verbriefte Recht ist den Gemeinden Neuweier, Steinbach, Umweg und Varnhalt bis heute erhalten.
Bereits in der 1950er-Jahren gab es vonseiten des bayerischen Franken aufgrund erster Diskussionen um einen Bocksbeutelschutz Bemühungen, den vier bzw. fünf badischen Gemeinden der Bocksbeutelenklave das Recht abzusprechen, die bauchige fränkische Flasche zu verwenden. 1960 erzielten die vier Gemeinden bei Baden-Baden einen ersten Teilerfolg mit dem juristischen Begriff „Gewohnheitsrecht“. Die benachbarte Gemeinde Affental, in der man später als in den vier genannten Orten den Bocksbeutel auch benutzte, verwies auf dieses Gewohnheitsrecht erfolglos. Als dieses Recht 1972 endgültig besiegelt wurde, war in der Affentaler Winzergenossenschaft Bühl guter Rat teuer. Flugs kreierte man den dreieckigen „Buddel“, auch „Trutzbeutel“ genannt, der nun exklusiv für die Affentaler geschützt ist.
Der Bocksbeutel ist seit Jahrhunderten die klassische Flaschenform für Frankenweine. Die älteste Flasche dieser Form ist ein keltisches Tongefäß, ca. 1400 v.Chr., zu sehen im Mainfränkischen Museum in Würzburg – dieses Museum soll ja künftig „Museum für Franken“ heißen.
Die Winzergenossenschaft Sommerach (Gründungsjahr 1901) nennt sich gerne „Frankens älteste Winzergenossenschaft“. Diese Aussage ist jedoch nur aus pro-bayerischer Sicht zutreffend, denn die Tauberfränkische Winzergenossenschaft Beckstein (gegründet 1894) ist etwa 7 Jahre älter.
Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein besuchte nach seiner Absetzung die Winzergenossenschaft in dem Ort, der so heißt wie er. Im Frühjahr 2010 gab es dort mit ihm eine Weinprobe. Er erschien als Überraschungsgast und hielt eine launige Ansprache. Allerdings bemerkte er eingangs, dass es in seiner Amtszeit als bayerischer Ministerpräsident zu viel Provokation für die Winzer in Franken(?) gewesen wäre, hier zu sein.
Die Winzergenossenschaft Franken fusionierte im Jahre 2000 mit der WG in Wertheim-Reicholzheim. Wenn man die Homepage der GWF aufruft, erscheint der badische Bereich Tauberfranken in einem Atemzug mit den drei Bereichen des bayerischen Anbaugebietes Franken: Maindreieck, Mainviereck und Steigerwald.
Diese drei Bereiche des „bayerischen“ Franken, allgemein bekannt, sollen jetzt durch 12 neue „attraktivere“ Bereichsbezeichnungen abgelöst werden. In meinen Augen eine weitere Zerstückelung Frankens. Anstoß für diese Neuerung gab ein Bürgstadter Winzer, der 2011 erfolgreich die Bezeichnung „Churfranken Spätburgunder“ erwirkte. Der fränkische Weinbauverband beschloss in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung die Einführung der neuen 12 Bereichsnamen, welche mittel- bis langfristig die Großlagen ersetzen sollen. Außerdem sollen die 12 neuen Bereichsnamen „Synergieeffekte“ mit den Touristikbüros schaffen, denn mit den neuen Begriffen können Touristikbüros eigene Weinetiketten kreieren und die Weine ihrer „Region“ mit den neuen Bezeichnungen vermarkten. In der Vergangenheit spielten die drei alten Bereichsnamen zumindest auf Weinetiketten kaum eine Rolle. Sie wurden nur bei Tafelweinen angegeben.
So wie das nördliche Baden fränkisch geprägt ist, so ist es auch das direkt angrenzende nördliche Württemberg. In unmittelbarer Nachbarschaft zu Tauberfranken hätte man gerne mancherorts den Bocksbeutel, doch irgendwo muss die Grenze sein.
Besonders deutlich ist das seit der Gebietsreform in Baden-Württemberg in Bad Mergentheim. Dort treffen die Anbaugebiete Württemberg und Baden direkt aufeinander. Eine weingeographische Besonderheit. Der Ortsteil Dainbach gehört zum badischen Bereich Tauberfranken, die übrigen Weinbergslagen der Stadt sind Teil des Anbaugebietes Württemberg.